Georg Plank

Lösungen zweiter Ordnung

Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild und zugleich ein Sünder. Dieses zentrale Menschenbild der jüdisch-christlichen Tradition wird aktuell durch einen überbordenden und per social media millionenfach multiplizierten Moralismus konterkariert. Es dominiert ein fatales, simplifizierendes Schwarz-Weiß Denken. Das ermöglicht es den „Guten“, die „Bösen“ guten Gewissens zu hassen. Letztlich führt diese gefährliche Tendenz zu einem Klima des Misstrauens, einem unbarmherzigen und unerbittlichen Umgang miteinander, ja, zur Spaltung der Gesellschaft. Die durch die Pandemie ausgelösten Krisenphänomene haben diesen Trend massiv verstärkt.
Doch wie kommt man aus dieser Sackgasse wieder heraus? Mir hilft dabei das Konzept der „Lösungen zweiter Ordnung“, das unter anderem vom österreichstämmigen Philosophen Paul Watzlawick entwickelt wurde. Dabei geht es darum, eine neue Perspektive einzunehmen und mit diesem neuen Blick auch neue, kreative Lösungen zu finden. Albert Einstein brachte das so auf den Punkt: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Mir kommt dazu die Aufforderung Jesu an die religiösen Führer in den Sinn, die auf die Steinigung der beim Ehebruch ertappten Frau pochten: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ (Johannes 8,7) Damit löste er den Konflikt zwischen Gesetzestreue und Barmherzigkeit durch eine Lösung zweiter Ordnung! „In der christlichen Vorstellung hat der Mensch lebenslang Erbarmen und Verzeihen nötig und ist aus diesem Grund dazu angehalten, seinerseits stets Erbarmen und Verzeihen zu üben. Eine Gesellschaft mit diesem inneren Kompass wäre gewiss menschlicher und toleranter“, analysiert der italienische Schriftsteller, Publizist und Kommunikationsberater Giuseppe Gracia.
Übrigens, falls Ihnen dieses Zitat gefallen hat: Der Autor ist bei Gott nicht unumstritten, v.a. was seine Rolle als (ehemaliger) Pressesprecher des Schweizer Bistums Chur betrifft, wo manche ihn als „kirchlichen Hooligan“ bzw. „Möchtegern-Houellebecq“ kritisierten.

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