Georg Plank

Oh glückliche Schuld!

Bei erfolgreichen und generell bei hierarchisch hochstehenden Menschen erwarten die meisten, dass sie fehlerfreier und ethisch hochstehender seien als gewöhnliche Sterbliche. Das betrifft Firmenchefs, Manager*innen, Primarärzt*innen und Politiker*innen. Besonders kritisch werden Kirchenführer*innen beobachtet, weil diese ja ständig von den anderen ethische und moralische Standards einfordern. Wehe, wenn sie dann selbst straucheln! Dieser strenge Maßstab ist menschlich verständlich und rational betrachtet auch logisch, oder?
In der Fastenzeit betont jedoch die christliche Tradition, dass gerade heiligmäßige bzw. heiliggesprochene Menschen meist auch große Sünder*innen gewesen sind. Die Formulierung „O felix culpa“ aus dem liturgischen Gesang Exsultet, der bis heute Bestandteil der römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Osternachtfeier ist, bringt eine Theologie der Erlösung zum Ausdruck. Von der paulinischen Rechtfertigungslehre im Römerbrief bis zum „Jahr der Barmherzigkeit“ ist das christliche Verständnis von Schuld und Scheitern, dass Gott uns vergeben und erlöst hat, als wir es nicht verdient hatten. „Denn Christus ist, als wir noch schwach waren, für die zu dieser Zeit noch Gottlosen gestorben. Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Römer 5,6-8). Vergessen wir nicht: Der erste Papst, Simon Petrus, hatte Jesus verlassen und verleugnet! Der Völkerapostel Paulus hatte vor seiner Bekehrung alle Christ*innen brutal verfolgt. Gott gab ihnen dennoch eine neue Chance. Und sie haben in Freiheit Ja dazu gesagt.
Oscar Wilde fasst das ganz simpel so zusammen: „Jeder Heiliger hat eine Vergangenheit, jeder Sünder eine Zukunft.“ Heilig im christlichen Sinn meint eben nie vollkommen, unfehlbar oder sündenfrei.

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