Silomentalität lähmt
Georg Plank

Silomentalität lähmt

Bei kaum einem anderen Thema wird die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit so spürbar wie bei „Einheit in Vielfalt“. Diese Kluft wird überdies kleingeredet oder ignoriert. Das inflationäre Gerede von „Gemeinschaft“ herrscht oft dort vor, wo de facto kaum echte Gemeinschaft spürbar ist. Schon gar nicht, wenn man neu ist oder nicht in die milieuverengte Clique vor Ort passt. Und wie viele Menschen jammern zwar, nirgends wirklich dazuzugehören, aber sobald sie in einer Kleingruppe beheimatet sind, verschließen sie sich potenziellen neuen Mitgliedern und handeln genauso wie diejenigen, unter deren Verhalten sie zuvor gelitten hatten?

Meist sind es harmonistische und konformistische Bilder, die meiner Meinung nach von dem wegführen, was „Einheit in Vielfalt“ bedeutet. Auf diese Weise konterkarieren Pfarrgemeinden, Arbeitsteams oder Gremien Bilder wie Orchester oder Leib. Sie wollen zwar ein Orchester, aber dann besetzen sie es nur mit ein oder zwei Instrumenten. Sie wollen Leib sein, aber gebärden sich wie ein Körper mit Dutzenden Fingern, aber ohne Herz und Hirn, oder mit einem Riesenkopf ohne Füße!

In großen Unternehmen wird oft von „dominanten Silo-Strukturen“ geredet. Was ist damit gemeint? Wie bei einem fensterlosen Betonsilo sehen einzelne Gruppen, Gremien oder Aktionen nur sich selbst und nehmen sich am wichtigsten. Sie sind abgeschlossen, quasi einbetoniert und mit anderen Akteur:innen kaum verbunden. Aus Silosicht ist es die Hauptsache, dass das eigene Projekt oder Anliegen erfolgreich, gut ausgestattet und bekannt ist, der Rest ist egal. Logisch, dass man sich dann gegenseitig als Konkurrent:in betrachtet und sich aggressive und machtorientierte Verhaltensweisen breitmachen.

Im Unterschied zur Wirtschaftswelt, in der Konkurrenz und Wettbewerb tendenziell positiv bewertet werden, wird in kirchlichen Kreisen oft massiv geleugnet oder kaschiert, dass nicht alles harmonisch und friedfertig abläuft. Behauptet wird hoch und heilig genau das Gegenteil! „Wir sind eine Gemeinschaft, bei uns herrscht Einheit in Vielfalt, jede:r ist willkommen sich einzubringen“ und ähnliche Beteuerungen machen es schwer, sich der Realität ehrlich zu stellen und sie im Geiste Jesu zu bearbeiten. Kritiker:innen sehen sich schnell mit dem Vorwurf der Nestbeschmutzung konfrontiert, werden so zermürbt und resignieren oder verlassen das System.

Gibt es diese Phänomene nur in kleinen organisatorischen Einheiten wie lokalen Gemeinden? Die aktuellen Strukturmaßnahmen der verfassten Kirchen im deutschsprachigen Raum belegen eindrucksvoll, dass leider auch auf größerer Ebene das mittelalterliche Denken und Handeln in Territorialstrukturen dominant ist. Warum machen sonst so viele unkoordiniert das Gleiche? Warum fangen alle immer bei Null an? Warum gibt es für große Organisationen wie die evangelische oder erst recht die katholische Kirche so wenig Austausch, Prozesse des Voneinander-Lernens oder offenes Teilen von Erfahrungen? Warum gibt man in postmodernen Zeiten gemeinsame Begriffe auf wie Pfarre(i)? Einheit in Vielfalt? In den meisten Fällen ein reine Worthülse, die gerade von denen in den Mund genommen wird, die sich auf keinen Fall in den Kochtopf ihrer selbstbezogenen Suppe blicken lassen wollen.

Wer innovieren will, muss sich aktiv damit auseinandersetzen und beharrlich an einer neuen Kultur arbeiten, die „Früchte des Geistes“ wachsen lässt, wie sie in Galater 5,22 benannt werden: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit.

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Gründer Georg Plank veröffentlicht wöchentlich Impulse für mehr Innovationen in christlichem Spirit und freut sich über zahlreiches Feedback. In Zukunft planen wir weitere Blogs durch unsere Referenten und Ecclesiopreneure.

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