Jesus ging hinaus
Georg Plank

Jesus ging hinaus.

Viele Verben, die mit Bewegung zu tun haben, bekommen im biblischen Kontext oft eine tiefere Bedeutung. So wird immer wieder zum Auftakt einer Begebenheit vom Hinausgehen Jesu berichtet, zum Beispiel bei der Berufung des Zöllners Levi in Lukas 5,27.

Dieses Hinausgehen signalisiert, dass er den vertrauten Raum oder, wie heute oft gesagt wird, die Komfortzone verlässt und neue Räume betritt. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, nicht nur mithilfe bisheriger Erfahrungen, Muster und Denkweisen Probleme lösen zu wollen, sondern vor allem im Blick auf bis dato Unbekannte, auf das Andere und Unverständliche, seien es Menschen, Kulturen, Denkweisen oder Bewältigungs- und Anpassungsstrategien.

Als Wanderprediger hatte Jesus keinen festen Ort, sondern war auf die Gastfreundschaft anderer Menschen angewiesen. Diese Ausgesetztheit, ja Verletzlichkeit kennzeichnete seine Existenzweise. Sie stand schon damals in schroffem Gegensatz zur religiösen und politischen Elite, die sich sowohl auf beeindruckende architektonische Denkmäler als auch auf umfassende institutionelle und juristische Macht verlassen konnte.

Seit der konstantinische Wende vor 1700 Jahren, als das Christentum zur Staatsreligion avancierte, wurde daher immer wieder Kritik an Formen von Kirche laut, die stärker dem jeweiligen weltlichen Establishment ähneln als dem Vorbild Jesu.

Die Lebensweise Jesu war stärker durch Risikobereitschaft als durch Sicherheitsstreben geprägt. Dabei handelte es sich nicht um frivolen Übermut oder narzisstische Selbstüberschätzung, sondern um ein tiefes Lebensvertrauen aus der Verbundenheit mit seinem Vater. Jesus war bis in die letzte Zelle durchdrungen vom Vertrauen in Gottes unendliche Liebe, Gnade und Barmherzigkeit. Das ermöglichte ihm, riskant, prekär und verwundbar unterwegs zu sein. Ja hinauszugehen dorthin, wo das Leben auch riskant, prekär und verwundbar war.

Heutzutage praktizieren viele Menschen das Hinausgehen durch Reisen. Die Reisebranche boomt stärker als je zuvor mit vielen auch äußerst problematischen Begleiterscheinungen. Aber jede:r Reisende wird hoffentlich auch diese kindliche Neugier wahrnehmen, mit der man Fremdem intuitiv begegnet, diese kribbelnde Spannung, ja manchmal Angst vor dem, was dieses Fremde auslösen wird. Oft sind es die vielen Überraschungen, das Neue und das Bereichernde, das wir nicht erwartet hätten, die uns dauerhaft verändern.

Bei unseren USA Seminaren erleben alle Teilnehmer:innen, dass Lernen sowohl durch Begeisterung als auch durch Irritationen getriggert wird. Gerade letztere sind für viele zu einer nachhaltigen Quelle für reflektierte Innovationen im eigenen Bereich geworden.

Als echtes Zeichen der Zeit könnte man zudem das Phänomen Pilgern deuten, auch eine Form des Hinausgehens. Pilgern ist in den letzten Jahren ein Megatrend geworden, der allerdings nur mehr wenig mit den traditionellen kirchlichen Wallfahrten zu tun hat.

Das nüchterne, anstrengende und ungewohnte Zu-Fuß-Gehen empfinden viele Menschen als intensive, ja spirituelle Erfahrung. Sie hilft ihnen, mit dem ständigen „zu viel, zu laut und zu schnell“ besser umzugehen. Mehr noch: Inmitten der rastlosen Reizüberflutung und krankmachenden Beschleunigung finden viele endlich die langersehnte Ruhe und Verwurzelung, die Voraussetzung für eine Leben in Fülle sind.

Vielleicht gelingen Ihnen im neuen Jahr 2025 täglich kleine Schritte des Hinausgehens und des Aufbrechens. Ein bewusster Start in den Tag mit Stille, Gebet oder Körperübungen. Oder bewusste Unterbrechungen untertags, um wieder gesammelt zu sein. Oder ein Innehalten vor dem zu Bett Gehen in der Haltung der Dankbarkeit. Oder ein bewusstes Gespräch mit einem Menschen, von dem Sie sich überraschen lassen.


Alle Fotos der aktuellen Blogserie stammen vom bisher leistungsstärksten Weltraumteleskop, dem James Webb Teleskop. Es startete am 25. Dezember 2021 und erreichte zum 24. Januar 2022 eine Umlaufbahn um den etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Lagrange-Punkt. Mehr unter https://www.youtube.com/watch?v=nS0HZdPshmg

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Gründer Georg Plank veröffentlicht wöchentlich Impulse für mehr Innovationen in christlichem Spirit und freut sich über zahlreiches Feedback. In Zukunft planen wir weitere Blogs durch unsere Referenten und Ecclesiopreneure.

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