Stell dich in die Mitte.
Georg Plank

Stell dich in die Mitte.

Im Markusevangelium spitzt sich der Konflikt zwischen den religiösen Autoritäten und dem Mann aus Nazareth rasch zu. Im 3. Kapitel wird die Heilung eines Mannes mit „einer verdorrten Hand“ am Sabbat beschrieben. Jesus steht bereits unter strenger Beobachtung, und zwar unter der Hermeneutik des Verdachts. Denn „sie suchten nämlich einen Grund dafür, ihn anzuklagen“. Dieser Kontext verführt Jesus nicht zu einer Politik des Appeasements, sondern er nutzt ihn, um die Zeitenwende sichtbar zu machen, die sich in seiner Person anbahnt. Es läuft auf eine klassische prophetische Zeichenhandlung hinaus. Denn Taten sagen ja mehr als viele Worte! Wie wird die Dramaturgie der Zuspitzung beschrieben?

Erster Akt: „Steh auf und stell dich in die Mitte!“ Wieder zwei Bewegungsverben! Wer gelangt da in die Mitte der Synagoge und der Aufmerksamkeit? Der bisher am Rand sitzende Außenseiter, nur bedingt arbeitsfähig und somit eine Belastung für das Gemeinwesen, ja vielleicht ein von Gott Gestrafter aufgrund eines sündhaften Lebenswandels? Diesen durch und durch obskuren und verdächtigen Typ macht Jesus zum Zentrum des Geschehens. Jesus stellt sich also der Herausforderung durch die Autoritäten und verschärft die Dramaturgie, indem er die Figuren auf dem Feld völlig neu ordnet.

Zweiter Akt: Statt nun unverzüglich zu handeln, den Mann zu heilen und so seine göttliche Vollmacht zu erweisen, nimmt Jesus sich noch ausführlich Zeit, um die auf Anklage Heischenden vorzuführen. Er entlarvt Ihre Gesetzesfrömmigkeit als lebensfeindliche Heuchelei. Sie können die berühmte Sabbatfrage nicht beantworten und schweigen betreten. Dabei müssen sie auf den in der Mitte stehenden Mann und auf Jesus schauen. Dritter Akt: Der folgende Satz offenbart einen zutiefst erschütterten und emotional bewegten Jesus: “… und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz.“

Die Sturheit und der Stolz dieser frommen und gebildeten Männer ist so sinnlos und dysfunktional, dass selbst Jesus Zorn und Trauer empfindet. Innovationsverweigerung tut weh. Warum ist es so schwer, bisherige Traditionen und Glaubenssätze zu verändern, wenn sie den ursprünglichen tieferen Sinn und Zweck schon lange nicht mehr erfüllen?

So geht es wohl vielen Männern und Frauen, die heute versuchen, in Kirche und Gesellschaft den richtigen Fokus zu setzen, die richtigen Prioritäten zu finden und mutig neue Wege zu gehen. Sie wollen die Menschen und Themen zentral positionieren, die für die Zukunftsfähigkeit des Planeten, für die Menschenwürde aller und für ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit essenziell sind.

Vierter Akt: „Streck deine Hand aus!“ Das Heil lässt sich nicht aufhalten, weder durch Traditionen noch durch Machtdemonstrationen. Unmittelbar auf die wunderbare Heilungserzählung folgt der Beschluss, Jesus umzubringen, durch die religiösen und politischen Führer, die „hinausgingen“, also sich von Jesus distanzieren.

Ihr verstocktes Herz hindert die damaligen Führungskräfte daran, das Gute und Heilvolle wahrzunehmen. Offensichtlich fühlen sie sich bedroht durch die Vollmacht, mit der Jesus wirkt. Sie können daher nicht die Potentiale der neu anbrechenden Zeit wahrnehmen und schätzen lernen, sondern igeln sich ein in einem destruktiven Streben nach Beständigkeit und Machterhalt.

Grande Finale: Die unglaubliche Wirkung finden Sie – richtig! – nach der nächsten nachträglich eingefügten Zwischenüberschrift: Aus allen Gegenden (und Milieus, würde man heute sagen) kamen Scharen von Menschen, als „sie hörten, was er tat!“

Heute wie damals ist es riskant, ja mitunter lebensgefährlich, die richtigen Menschen in die Mitte zu rufen und die richtigen Schwerpunkte zu setzen. So erleben heute viele Engagierte im Kampf gegen globale und lokale Ungerechtigkeiten und Diskriminierung oder gegen die anbrechende Klimakatastrophe Widerstand, Verleumdung und Verfolgung. Mit diesen Menschen sollen Christ:innen sich solidarisch zeigen. Was kann man konkret tun, damit sie ihre Leidenschaft heilvoll leben können, sie vor Resignation und Überforderung geschützt sind und liebevoll, geistvoll und spirituell begleitet werden?


Alle Fotos der aktuellen Blogserie stammen vom bisher leistungsstärksten Weltraumteleskop, dem James Webb Teleskop. Es startete am 25. Dezember 2021 und erreichte zum 24. Januar 2022 eine Umlaufbahn um den etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Lagrange-Punkt. Mehr unter https://www.youtube.com/watch?v=nS0HZdPshmg

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