Expressives Gemälde einer schwebenden Figur mit grünem Gesicht, blauem Sakko und Zylinder, die einen Gegenstand in der Hand hält.
Georg Plank

Komplexität erfordert Mut zum Vereinfachen

Das niederländische Mobilitätssystem als Gleichnis für kirchliche Entwicklung zu nutzen, war Thema der letzten drei Blogs. Darauf aufbauend thematisiere ich nun, wie das Verständnis von Kirchen als komplexe Systeme neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Voraussetzung ist allerdings, dass man Komplexität nicht primär als etwas Negatives und daher als Überforderung begreift. Vielmehr kann die Erfahrung von Unplanbarem, Unverständlichem oder Krisenhaftem durch neue Offenheit zur Basis und Chance für Innovation und Transformation werden. Nach meinem Empfinden haben das die Niederlande und andere im Bereich Mobilität gewagt und dabei großartige Wirkungen erzielt. Im Grunde haben sie eine ganzes Land lebenswerter und sicherer für alle gemacht! Eine neue Einstellung war Grundlage der heute völlig transformierten Verkehrswelt.
In den folgenden Blogs versuche ich, das Thema der Komplexität so weiter zu entfalten, dass Sie in Ihrer Praxis inspiriert und motiviert werden.

Einleitend stelle ich die These auf, dass es den Mut zum Vereinfachen braucht, um angesichts von Komplexität handlungsfähig zu bleiben.
Für mich sind Vereinfachungen grundsätzlich weder per se negativ noch positiv. Die Frage ist, wie sie helfen können, richtig zu steuern. Wie bei einem Fahrzeug muss man in die richtige Richtung lenken und dabei das richtige Tempo wählen. Dabei muss man auf die wirklich relevanten Faktoren fokussieren. Konstruktiv vereinfachen ist harte Arbeit, weil sie die Auseinandersetzung mit Komplexität voraussetzt.

Führungskräfte sind metaphorisch gesprochen Personen, die in der jeweiligen Situation das Steuer in der Hand halten. Die Größe der von ihnen gesteuerten Systeme ist dabei sekundär. Es kann sich sowohl um einen großen multinationalen Konzern handeln oder auch um ein kleines Start-up Unternehmen oder auch eine christliche Gemeinde. Bei Projekten stellt sich auch die Frage, wer das Steuer in der Hand hält. Diese Person charakterisiere ich als Führungskraft. Das Steuer in der Hand zu halten, bedeutet nicht, dass Führungskräfte alleine entscheiden. Je komplexer das zu steuernde System und je komplexer die Rahmenbedingungen, umso stärker wird sich der Steuermann oder die Steuerfrau auf ein ganzes Team von Spezialist:innen stützen, wie man aus der Rallye-Szene, Flugzeugcockpits oder Kommandozentralen von (Raum-) Schiffen weiß.

Vom Bild des Steuers zu konstruktiven Vereinfachungen

Wer mit dem Fahrrad in einer Großstadt oder mit dem PKW auf einer verkehrsreichen Autobahn unterwegs ist, kann das nur dann sicher tun, wenn die vielen Sinneswahrnehmungen und Reize, die von außen auf die Person einströmen, sinnvoll gefiltert, eingeordnet und bewertet werden. Nur so können die jeweils relevanten Informationen zu richtigen Entscheidungen führen. Ob diese richtig oder falsch, problemlösend oder verstärkend wirken, lässt sich immer nur im konkreten Augenblick, in der aktuellen Situation sagen. Eine kurze Zeit oder eine kurze Distanz später kann bereits eine völlig andere Reaktion auf das Verkehrsgeschehen gefragt sein.
Vereinfachungen helfen also, aus der Fülle von externen Informationen und den daraus resultierenden Handlungsoptionen rechtzeitig die jetzt richtige zu wählen, ohne den Verkehrsfluss und das Unterwegssein auf das angestrebte Ziel hin andauernd unterbrechen zu müssen. Selbst beim Zufußgehen müssen wir fortlaufend diese Balance zwischen Wahrnehmen und Entscheiden finden, sonst könnten wir kaum einen Schritt vor den anderen setzen. Wir müssten andauernd innehalten und uns neu orientieren. Das mag bei einer schwierigen Bergtour sinnvoll sein. Da muss man ab und zu innezuhalten und intensiv nach dem nächsten Schritt oder Griff suchen. Aber im normalen Fluss des Lebens sind Vereinfachungen unerlässlich, um überhaupt vorangehen zu können und sich flüssig und sicher zu bewegen Die Alternative wäre permanenter Stillstand.

Kategorisierung und Abstrahierung

Unser Gehirn lernt von klein auf, auf diese Weise mit äußeren Reizen umzugehen. Wenn alles gleich wichtig und gleich bedeutsam wäre, wäre menschliches Leben und Leben generell nicht möglich. Klare Kriterien ermöglichen, die mannigfaltigen Eindrücke zu beurteilen, zu selektieren und in ihrer Relevanz zu beurteilen. Neurobiolog:innen beschreiben diese Prozesse als Kategorisierung und Abstrahierung. Das Gehirn kategorisiert ununterbrochen, und zwar jegliche Informationen zu jedem Zeitpunkt, und versucht so, die komplexe Welt andauernd zu vereinfachen und zu organisieren. Ohne Kategorisierung könnten wir nicht effizient mit unserer Umgebung interagieren.
Dieses Bild, dass Bewegung und damit Fortschritt nur durch Vereinfachungen möglich sind, lässt sich in analoger Weise auf viele Bereiche übertragen – natürlich auch auf Kirchen.

Weitere Artikel

Gründer Georg Plank veröffentlicht wöchentlich Impulse für mehr Innovationen in christlichem Spirit und freut sich über zahlreiches Feedback. In Zukunft planen wir weitere Blogs durch unsere Referenten und Ecclesiopreneure.

Georg Plank·Vor 4 Tagen ·2 min. Lesedauer
Abstrakte Malerei mit Blautönen und angedeuteter weiblicher Figur

Von der Kontrolle zur Kultur

Wenn wir Kirche als komplexes System verstehen, verändert sich unsere Rolle als pastorale Verantwortliche. Statt "Manager" werden Führungskräfte zu "Gärtnern":...

Georg Plank·Vor 2 Wochen ·3 min. Lesedauer
Zeichnung eines Paares in warmer Umarmung, dominiert von Gelb und Orange

Warum traditionelle Planungsansätze an Grenzen stoßen

Der Illusion der vollständigen Kontrolle begegnen wir in der pastoralen Praxis oft in einem Planungsideal, das ursprünglich aus der industriellen...

Georg Plank·Vor 3 Wochen ·4 min. Lesedauer
Expressives Gemälde einer schwebenden Figur mit grünem Gesicht, blauem Sakko und Zylinder, die einen Gegenstand in der Hand hält.

Komplexität erfordert Mut zum Vereinfachen

Das niederländische Mobilitätssystem als Gleichnis für kirchliche Entwicklung zu nutzen, war Thema der letzten drei Blogs. Darauf aufbauend thematisiere ich...

Schreibe einen Kommentar

Newsletter

Ich möchte am Laufenden bleiben.