Lärmverschmutzung – Muße
Georg Plank

Lärmverschmutzung – Muße

Heute, am Tag der Lärmverschmutzung, erinnere ich an Forschungen, die herausgefunden haben, dass Lärm als psychosozialer Stressfaktor nicht nur das subjektive Wohlempfinden und die Lebensqualität beeinträchtigt, indem er stört und belästigt. Lärm beeinträchtigt auch die Gesundheit im engeren Sinn. Er aktiviert das autonome Nervensystem und das hormonelle System. Die Folge: Veränderungen bei Blutdruck, Herzfrequenz und anderen Kreislauffaktoren. Der Körper schüttet vermehrt Stresshormone aus, die ihrerseits in Stoffwechselvorgänge des Körpers eingreifen. Die Kreislauf- und Stoffwechselregulierung wird weitgehend unbewusst über das autonome Nervensystem vermittelt. Die autonomen Reaktionen treten deshalb auch im Schlaf und bei Personen auf, die meinen, sich an Lärm gewöhnt zu haben.

Etwa zwei Drittel der Menschen in modernen Gesellschaften leiden unter Lärm. Immobilienmakler:innen wissen um den monetären Wert einer ruhigen Lage. Mir ist schleierhaft, warum viele Lärm erregende Maschinen, Werkzeuge und Fahrzeuge noch immer verkauft und verwendet werden dürfen, obwohl es mittlerweile leisere Alternativen gibt. Individueller Lärm kostet vielen Menschen die Ruhe. Bei meinem ersten Besuch in China im Jahr 2018 wunderte ich mich, warum es in den Megastädten trotz vieler Motorräder so leise war, bis ich entdeckte, dass 90% der einspurigen Fahrzeuge elektrisch betrieben wurden und daher kaum Lärm und Abgase emittierten.

Zu laut meint im übertragenen Sinn aber auch den Alarmismus und die Empörungskultur, die heute viele Medien, die politische Sphäre und auch unsere Alltagswelt dominieren. Auch innerkirchliche Diskurse leiden unter diesem Lärm und Geräuschpegel.

Ich erinnere mich an einen Studientag, wo wir zur Frage arbeiteten: Wie könnte eine Minute Stille wirken, zum Beispiel in Gottesdiensten, aber auch in Sitzungen oder bei Konferenzen? Spontaner Auslöser waren damals zwei Aspekte: Zum einen wurde beim vom Pfarrer gestalteten Gebet konsequent die liturgische Rubrik „kurze Stille“ einfach ignoriert. Zum anderen bejahten über 90% der Teilnehmer:innen meine Eingangsfrage „Ich habe eine anstrengende Woche hinter mir!“

Ergebnis der folgenden 15-minütigen Kreativarbeit war nicht nur eine starke Vision, dass gemeinsame Stille auch für „Seltenkommer:innen“ ein Pull-Faktor werden könnte, sondern auch konkrete Ideen, wie diese Vision qualitätsvoll umgesetzt werden könnte.

Beim synodalen Weg der katholischen Kirche empfanden viele das sogenannte „Gespräch im Geist“ als besonders wertvoll. Statt taktischem Positionieren der eigenen Meinung „findet man im Gespräch im Geist einen partizipatorischen, auf Gemeinschaft und Erneuerung der Mission ausgerichteten Weg, der die Beteiligung aller fördert und die große Vielfalt, die wir alle sind, in Gemeinschaft und Einheit willkommen heißt“, zeigt sich auch Papst Franziskus überzeugt. „Grundlegend und sehr notwendig“ sei dabei die „Haltung des offenen und verletzlichen Zuhörens“. Allein diese Haltung erlaube Beweglichkeit im Geist und verhelfe letztlich zu konkreten Entscheidungen, sie bereichere und vertiefe die Gemeinschaft und Mission, betont Franziskus. Wenn jeder aber auf der eigenen Position beharre, gebe es „kein wirkliches Gespräch“ und „kein wirkliches Hören auf den Geist“.

In Österreich und darüber hinaus ist die Aktion „Stille Schenken“ der Akademie für Evangelisation in Wien ein Beispiel, wie Initiativen gegen die Lärmverschmutzung auch im digitalen Raum auf positive Resonanz stoßen.

Es gibt viele gute Möglichkeiten, mit der lauter gewordenen Welt besser umgehen zu lernen. Menschen sind ja unglaublich anpassungsfähig, können ihrem privaten und beruflichen Leben mehr Struktur geben und sich so vor dem ständigen „zu viel, zu schnell und zu laut“ schützen. Expert:innen nennen das die Stärkung der Resilienz. Ich habe selbst von Erkenntnissen der Resilienzforschung und darauf aufbauenden Trainings profitiert und dabei entdeckt, welcher Schatz an Resilienz fördernden Praktiken innerhalb der christlichen Traditionen zu finden ist.

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Gründer Georg Plank veröffentlicht wöchentlich Impulse für mehr Innovationen in christlichem Spirit und freut sich über zahlreiches Feedback. In Zukunft planen wir weitere Blogs durch unsere Referenten und Ecclesiopreneure.

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