Wer katholische Theologie studiert, will Priester werden
Georg Plank

Wer katholische Theologie studiert, will Priester werden

Als ich in den 80er Jahren Diplomtheologie studierte, fragten mich viele Verwandte und Freunde:innen: „Willst du also Priester werden?“ Das irritierte mich, weil schon damals 90% aller Theologiestudierenden weder Priesterseminaristen noch Ordensangehörige waren. Seitdem sind zwar an allen theologischen Fakultäten die Studierendenzahlen gesunken, der jeweilige Anteil ist aber annähernd gleich geblieben.

Woran liegt es daher, dass noch immer viele Leute katholische Theologie automatisch mit dem (katholischen) Priestertum verbinden?

Eine Ursache findet man im weltweiten Vergleich. In vielen Ländern ist das Theologiestudium nach wie vor primär für die Ausbildung zukünftiger Priester konzipiert. Auch wenn es mittlerweile immer mehr Länder gibt, wo kirchenrechtliche Laien Theologie studieren können, sind die Zahlen im deutschsprachigen Raum die absolute Ausnahme.

Ein weiterer Grund: In Deutschland und Österreich hat das Wissen über Kirchen, theologische Fakultäten oder kirchliche Berufe in der Regel abgenommen. Ja, man kann von einer echten Relevanzkrise sprechen.

In diesem Kontext wird oft übersehen, dass die akademische katholische Theologie heutzutage massiv von kirchenrechtlichen Laien und darunter wiederum von vielen Frauen geprägt ist. Diese Entwicklung führt zu einem teilweise völlig neuen Verständnis innerhalb der theologischen Disziplinen, was die jeweiligen Forschungsansätze betrifft. Ich hatte zum Beispiel die große Freude, mit Professor Irmtraud Fischer eine der ersten Exegetinnen im Alten Testament kennen- und schätzen zu lernen. Sie hatte in Bonn und in Graz einen ordentlichen Lehrstuhl inne. Ihre Forschungen in enger Kooperation mit anderen sozial- und humanwissenschaftlichen Fächern haben zu einer völligen Neubewertung der Rolle von Frauen im Alten Testament und darüber hinaus geführt. Solche Beispiele gibt es Gott sei Dank viele. Ja, eine Folge diese massiven Veränderungen ist die wachsende Kluft zwischen der theologischen Forschung als quasi „Research and Development Abteilung“ und der Kirchenpraxis. Kirchliche Führungskräfte setzen sich meiner Einschätzung nach zu wenig damit auseinander, was viele aktuelle theologische Forschungen zu vielen Fragen und Problemen in der kirchlichen Praxis beitragen könnten. Das verhindert nicht nur dringend notwendige Erneuerung und Professionalisierung, sondern entfremdet kirchliche Praxis von den Standards, die in anderen gesellschaftlichen Bereichen als unerlässlich erachtet werden. Wichtig ist daher ein verstärkter Dialog zwischen Theorie und Praxis, der von gegenseitigem Respekt und deren Bereitschaft geprägt ist.

 

Hintergrund der aktuellen Blogstaffel:

Vor einigen Jahren beeindruckte und beeinflusste das Buch „Factfulness“ und die Stiftung „Gapminder“ meine Sicht der Welt und mein Denken über Probleme und deren Lösung.

In dieser Blogstaffel möchte ich einige Prinzipien dieses Buches auf die Kirche anwenden. Mit zehn simplen Beispielen soll aufgezeigt werden, dass auch in diesem Bereich wesentlich mehr Fortschritte erzielt werden konnten als von vielen wahrgenommen wird. Damit sollen Probleme und Rückschritte nicht geleugnet oder relativiert werden. Im Gegenteil, der Blick auf bereits Gelungenes soll Kraft und Kreativität auslösen, sich weiterhin lösungsorientiert und leidenschaftlich für Innovationen zu engagieren.

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Ein Kommentar
  1. Herzlichen Dank für die zahlreichen Denkanstöße. Kann dem letzten Befund, der die (Glaubens)Kluft zwischen Forschung und Kirchenpraxis beschreibt, einiges abgewinnen. Insbesondere nachdem ich Peter Trummers „Den Herzschlag Jesu erspüren“ – auf Anraten eines Priesters! – gelesen habe. Spontan fällt mir dazu das Gleichnis mit den Talenten ein. Einbuddeln, warten bis der Chef wieder kommt und zurückgeben.
    Mir sind die bösen Folgen dieses (Nicht)Handelns schemenhaft in Erinnerung.

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