Pastoralinnovation Bonustext
Georg Plank

Exkurs Sexueller Missbrauch

Wie schwer sich nicht nur einzelne Menschen, sondern gerade auch Institutionen wie Kirchen, Kulturbetriebe oder Sportverbände damit tun, die eigene Schuldgeschichte nicht zu verleugnen oder kleinzureden, zeigen die mühsamen Prozesse der Aufarbeitung von bekannt gewordenen Missbrauchsfällen vor allem an Kindern und Jugendlichen. Der deutsche Pater Hans Zollner weist unermüdlich auf die Tendenz zum Vertuschen hin. Der Jesuit ist Leiter des Kinderschutzentrums „Centre for Child Protection“ an der Päpstlichen Gregoriana-Universität und Mitglied der 2014 eingerichteten Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen. Zollner geht davon aus, dass Verleugnung und Vertuschung von Missbrauch durch Bischöfe, Äbte und Provinziale über Jahrzehnte und Jahrhunderte nachweisbar sei. Die Hauptmotivation dafür lag und liege wohl in dem Versuch, vermeintlich den Ruf der Kirche und des Täters zu schützen, so der Experte und erläutert wiederholt: „Die Kirche gibt die Schuld nicht zu – sondern es muss jedes Schuldbekenntnis abgerungen werden; sie bereut nicht – sondern verteidigt Täter und Vertuscher. Sie übernimmt keine Verantwortung – sondern druckst rum und setzt Karrieren und Reputation an die erste Stelle.“ Auch wenn es weltweit betrachtet in Sachen Missbrauchs-Prävention mittlerweile beachtliche Fortschritte gäbe, bestünde die Gefahr, dass katholische Einrichtungen angesichts einbrechender Finanzen auf längere Sicht im Bereich Missbrauchs-Prävention wieder sparen könnten.

In diesem Kontext sei eine bemerkenswerte Initiative erwähnt, die in Boston in den USA entstand, als dort in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts die ersten massiven Vorwürfe für systematische Vertuschung von sexuellem Missbrauch durch Kleriker laut wurden.

Die Geschichte von Terence McKiernan ist wenig bekannt und wurde in der „ZEIT“ am 28.5.2021 beschrieben: Der 67-Jährige, der als Erwachsener wieder zurück zu seinem katholischen Glauben fand, ist der Gründer einer Organisation namens Bishop Accountability. Übersetzt heißt Accountability Rechenschaftspflicht – und genau diese fordert McKiernan von katholischen Bischöfen ein: Durch die Kraft von Dokumenten, die er archiviert. Heute ist Bishop Accountability das weltweit größte öffentlich zugängliche Archiv zu klerikalem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Vor und jenseits aller kirchlichen Reformbestrebungen verfolgt es ein einziges Ziel: durch das Sammeln und Sortieren von Dokumenten ein so umfassendes und präzises Bild klerikalen Kindesmissbrauchs zu bekommen wie möglich. Dahinter steht nicht nur eine nüchterne Skepsis gegenüber allen geläufigen Narrativen der sogenannten Missbrauchskrise, sondern es hat vor allem zwei Anliegen: Transparenz über das, was geschehen ist, und Rechenschaftspflicht für diejenigen, die die Verantwortung dafür tragen.

 

Dieser Exkurs zum Thema Missbrauch ist mir aus zwei Gründen wichtig. Erstens muss man die schreckliche Tatsache anerkennen, dass immer wieder die Begeisterungsfähigkeit vor allem junger Menschen für verbrecherische Absichten missbraucht wurde. Zweitens entwickeln starke emotionale Erlebnisse offensichtlich im Guten und im Schlechten eine enorme Prägekraft, sowohl zum Zeitpunkt des Erlebens als auch bei Erinnerungen. Das zu unterschätzen ist gefährlich, weil die Wirkungen auch dann Einfluss auf Gedanken, Entscheidungen und Handlungen entfalten, wenn sie geleugnet, ignoriert oder auch nur unterschätzt werden. Hintergrund dieser destruktiven Verdrängungsstrategien ist oft die Angst vor Kontrollverlust, vor Übertreibungen und Exzessen. Starke Gefühle werden als potenziell gefährlich angesehen und sie sind es ja auch tatsächlich. Das freie Ausleben derselben bedroht das menschliche Zusammenleben und führt leicht zu Gewalt und Zerstörung, Mord und Totschlag, wie es in faschistischen Regimen oder fundamentalistischen Religionsgemeinschaften immer wieder auf fatale Weise geschehen ist und heute noch geschieht. Die Welt der Gefühle braucht daher auch gewisse Grenzen, Regulierungen und konstruktive Ausdrucksformen. Dafür gibt es Traditionen in allen menschlichen Kulturen, Gesellschaftsmodellen und auch Religionen. Gerade der christliche Glaube kann auf das Vorbild seines Gründers aufbauen, der selbst ganz in unsere Menschlichkeit eingetaucht ist, inklusive der zugleich erschreckenden und faszinierenden Welt der Gefühle.

Pastoralinnovation - das Buch

"Ich habe dieses Buch für alle geschrieben, die Kirche an alten und neuen Orten innovieren wollen - mit vielen konkreten Beispielen, erhellenden Hintergründen und überraschenden biblischen Inspirationen - in leicht verständlicher Sprache und nicht ohne Humor! Geeignet für haupt- und ehrenamtliche Engagierte, für alle Interessierten an christlich inspirierter Innovation und für alle, die als distanzierte Kritiker:innen Interesse daran haben, dass Kirchen die Gesellschaft glaubwürdig und positiv mitgestalten." - Georg Plank

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