In Kirchen gibt es eine spezielle Form des entwürdigenden und geringschätzenden Umgangs mit Innovator:innen: den Klerikalismus. Während dieser historisch in der Spätantike als kirchlicher Herrschaftsanspruch über die säkulare Gesellschaft begann, wurde er mit der Konfessionalisierung und Verkirchlichung des Christentums in der Neuzeit zu einem Führungsanspruch über das Leben der Laien, und wird heute, nach dem Ende kirchlicher Sanktionsmacht, wo es nichts mehr zu beherrschen gibt, zu einer mehr oder weniger fatalen Identitätstechnik von Priestern, konstatiert der Pastoraltheologe Rainer Bucher. So gesehen, erscheint ihm die harte Klerikalismuskritik von Papst Franziskus plausibel. Denn dieser kritisiert massiv, wenn Priester oder Bischöfe primär an sich interessiert sind und nicht am Volk Gottes, zu dem sie gehören und für das sie da sind, dem gegenüber sie sich aber erhaben und überlegen zeigen.
Die folgende Begebenheit vom September 2018 lässt diesbezüglich nichts an Klarheit vermissen: Papst Franziskus hatte neue Bischöfe bei einer Fortbildungsveranstaltung im Vatikan vor Autoritätsdünkel gewarnt. Der Klerikalismus zersetze die Gemeinschaft und schaffe eine „Spaltung im Leib der Kirche“, sagte er vor 74 neuen Oberhirten. Der Pontifex Maximus zeigte sich von einem kausalen Zusammenhang zwischen Klerikalismus und sexuellem Missbrauch überzeugt. Nein zum Missbrauch zu sagen hieße auch, sich entschieden gegen jede Form von Klerikalismus zu stellen, so der Papst bei dieser und vieler seiner Ansprachen und Schreiben. An die neuen Bischöfe gewandt, betonte er, dass jeder Bischof an der Seite der Schwächsten und derer in Gefahr stehen muss, und „nicht daran interessiert sein (darf), seinen guten Namen zu schützen“. Ausdrücklich mahnte Franziskus die Hirten, die Nähe zu den Menschen und den „Straßen der Welt“ zu suchen. Das Evangelium verkünde man „nicht im Sitzen, sondern unterwegs“. Komfortdenken und die Suche nach weltlichen Sicherheiten seien mit dem Aposteldienst nicht vereinbar.“
Wie Balsam auf die geplagten Seelen von kirchlichen Erneuerungswilligen klingt sein Appell am Schluss seiner Ansprache an die Bischöfe. Das pastorale Handeln dürfe sich nicht auf am Schreibtisch entstandene Entwürfe stützen, sondern müsse sich im unermüdlichen Zuhören entwickeln. Der Heilige Geist spreche oft gerade durch einfache Menschen, so Papst Franziskus immer und immer wieder.
Stoßen seine Appelle auf offene Ohren und Herzen? Wo sind die kühnen Vorschläge, die er einfordert, um mutig neue Wege und Gestalten von Kirche zu wagen? Erhofft der Papst sich diese durch den von ihm initiierten weltweiten synodalen Prozess?