Mehr Geschwisterlichkeit

Mitte der 90er Jahre entstand als Folge der Missbrauchsvorwürfe gegen den damaligen Wiener Erzbischof Hermann Kardinal Groer das Kirchenvolksbegehren. Seine fünf Forderungen lauteten: Aufbau einer geschwisterlichen Kirche, volle Gleichberechtigung der Frauen, freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform, positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen und Frohbotschaft statt Drohbotschaft. Die Initiative strahlte über Österreich hinaus in den deutsch- und englischsprachigen Raum und fand beachtliche und zahlreiche Unterstützer:innen, stieß aber auch auf erbitterten Widerstand.

Die internationale Bewegung „Wir sind Kirche“ ist bzw. war in allen fünf Erdteilen tätig und in mehr als 40 Staaten vertreten. In gewisser Weise ist sie ein wichtiges Element der Wegbereitung für den synodalen Weg in Deutschland und andere Reformbewegungen. Persönlich fand ich es bedauerlich, dass den Betreiber:innen und Aktivist:innen oft polemisch vorgeworfen wurde, zu wenig geistlich, zu wenig katholisch und zu strukturfixiert zu sein. Mein Eindruck aus vielen Gesprächen und persönlichen Begegnungen war wesentlich differenzierter. Ich nahm dabei leidenschaftliche Liebe zur Kirche, zu Jesus Christus und zur Frohen Botschaft wahr, auch viel enttäuschte Liebe und daher auch manche verständliche Verbitterung.