Das liebe Vieh

Vor kurzem hatte ich beim Tierarzt zu tun. Mein kleiner Hund Moritz, Schalk und Seelentröster, hatte sich bei einem seiner tolpatschigen Sprünge die Hüfte verrenkt und lahmte. Das Wartezimmer des Tierdoktors war gerammelt voll. Ein junges Ehepaar mit kleinem Mädchen hatte ein Kätzchen im Körberl, eine ältere Dame kraulte einen voluminösen Kater, zwei Kinder führten einen Collie-Schäfer-Mischling herein, ein Bub trug ein Meerschweinchen im Kästchen. Allerorts dösten Vierbeiner vor sich hin oder inspizierten einander. Keine fünf Minuten saß ich, schon kannte ich den Großteil der Wartenden und ihre Sorgen um das liebe Vieh.

Nachdem mein Moritz etwas grollend die Untersuchung ertragen und eine schmerzlindernde Spritze bekommen hatte, verließ ich, einer Sorge ledig, den Doktor und die versammelte Menge von Leuten mit ihrem lieben Vieh … Ich sagte mir: Ohne dieses Mißgeschick hättest du nicht gesehen, wie Buben und Mädchen, die für Lebendiges Verantwortung tragen, zärtlich und vorsorglich sein können.

Ohne diese Begegnung hättest du nicht darüber nachgedacht, daß einen Freund haben, und sei er auch vierbeinig, auch bedeutet, für ihn Sorge zu tragen. Vielleicht hättest du diesen Tag gar nicht gedacht, daß du Verantwortung am Leben hast.

Quelle: Josef Fink: Gott ist jung, S.188, Weishaupt Verlag, vgl. https://www.weishaupt.at/?area=1&x=5&y=12&s=Josef+Fink

Impuls: Welche Bedeutung haben Tiere für mich? Habe ich eine echte Beziehung zu einem Tier?